64 Atemschutzgeräteträger proben den Ernstfall unter Realbedingungen
In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Brandeinsätze am Einsatzaufkommen der Feuerwehren zurückgegangen. Das ist selbstverständlich eine gute Nachricht. Gleichzeitig wird es dadurch - gerade für die jungen Feuerwehrkameradinnen und -kameraden - immer schwieriger, die erforderliche Einsatzerfahrung zu gewinnen. Persönliche Erfahrungen sind aber außerordentlich wichtig, um Fehlentscheidungen bis hin zu lebensgefährlichen Situationen zu vermeiden.
Im Zeitraum von 23. bis 27.06.2015 hatten 64 Atemschutzgeräteträger aus 20 verschiedenen Feuerwehren des Landkreises Roth die Möglichkeit, eine realitäts- und praxisnahe Ausbildung in einem feststoffbefeuerten Brandübungscontainer zu erhalten. Nach intensiver Vorarbeit von Kreisbrandmeister Christian Mederer gelang es, den neuen, erst vor vier Wochen in Dienst gestellten Brandcontainer des Landesfeuerwehrverbandes Bayern für Schulungszwecke zu reservieren.
Teilnehmer aus folgenden Wehren fanden sich hierzu zu 8 Übungsterminen in Wendelstein ein: Abenberg, Allersberg, Götzenreuth/Gauchsdorf, Greding, Großschwarzenlohe, Gustenfelden, Heideck, Hilpoltstein, Kleinschwarzenlohe, Laffenau, Leerstetten, Rednitzhembach, Regelsbach, Röthenbach b.St.W., Rohr, Röttenbach/Mühlstetten, Schwand, Thalmässing, Volkersgau und Wendelstein.
Finanziert wurde die Übungsanlage vom Staatsministerium des Innern und der Fa. Dräger Safety AG & Co. Die insgesamt 1,2 Millionen Euro, die der Freistaat Bayern dafür investiert hat, sind gut angelegt. Denn mit dem Brandübungscontainer kann eine realitätsnahe Brandbekämpfung unter umluftunabhängigem Atemschutz geübt werden.
Das Projekt wird vom Landesfeuerwehrverband Bayern organisatorisch begleitet und ist zunächst auf vier Jahre (beginnend im Jahr 2015) angelegt, sodass insgesamt ca. 7.200 Atemschutzgeräteträger geschult werden können. Die Ausbildung wird durch erfahrene Ausbilder durchgeführt.
Der wesentliche Inhalt der Schulung besteht darin, dass die Einsatzkräfte Brandverläufe und besondere Gefahrensituationen wie z.B. Anzeichen einer Rauchgasdurchzündung erkennen, sich mit Schutztechniken vertraut machen und sich hierdurch wirksam vor Verletzungen schützen können.
Schulungsleiter Tim Ulrich, hauptberuflich bei der ZF Werkfeuerwehr in Schweinfurt beschäftigt, erläuterte den Teilnehmern zunächst in einem theoretischen Schulungsteil wesentliche Inhalte der Brandbekämpfung. Neben der Wirkung der Schutzkleidung, aber auch deren Grenzen, der Technik von Hohlstrahlrohren und dem richtigen Öffnen von Türen lag der Schwerpunkt auf dem Erkennen von Brandverlaufsphasen, der Beurteilung von Brandrauch und dem Erkennen von Anzeichen gefährlicher Zustände.
Nach ausreichender vorheriger Flüssigkeitszufuhr gehen die Teilnehmer daran, den Brandcontainer für den Einsatz vorzubereiten. Im Unterschied zu gasbefeuerten Brandcontainern werden die Einsatzkräfte beim Training im feststoffbefeuerten Brandsimulationstrainer durch die Verwendung von Holz mit der für einen Zimmerbrand typischen Hitze- und Rauchentwicklung, hoher Feuchtigkeit und stark eingeschränkter Sicht konfrontiert. Auf diese Weise können sie so realitätsnah wie möglich den Ernstfall trainieren.
8 Atemschutzgeräteträger scharen sich um den Ausbilder und beobachten zunächst die entstehende Rauchgasbildung. Langsam sammelt sich schwarzer Rauch an der Decke. Die Türe des Containers wird geschlossen. Der komplette Raum füllt sich mit Rauch, das in einigen Metern entfernte Feuer verschwindet im Qualm, es ist nicht einmal der fluoreszierende Helm des benachbarten Kameraden zu erkennen. Man sitzt vollkommen im Dunkeln, ein beklemmendes Gefühl.
Die Türe des Containers wird geöffnet, die Sicht wird besser, die Einsatzkräfte beobachten die Entwicklung der Rauchschicht an der Decke. Langsam bilden sich Flammenzungen, ein deutlich sichtbares Zeichen für die Erhitzung der Rauchgase, die sich plötzlich entzünden und die obere Hälfte des Containers in einem Flammenball einhüllen. Beruhigt stellt man die Wirkung der persönlichen Schutzausrüstung fest.
Jeder Teilnehmer erhält nun mehrfach die Gelegenheit, die Rauchschicht unter Einsatz eines Hohlstrahlrohrs gezielt zu kühlen. Beeindruckend, mit wie wenig Wassereinsatz Durchzündungsgefahren eingedämmt werden können. Der Brandherd weist eine Temperatur von etwa 700 Grad auf. Die immense Strahlungswärme macht sich ebenso wie der Anstieg der eigenen Körpertemperatur bemerkbar, im Aufenthaltsbereich der Kameraden herrschen etwa 170 Grad.
Eine interessante Erfahrung machen die Teilnehmer zum Schluss der Übung in Form der schwer erträglichen Hitzeeinwirkung, die durch den beim direkten Löschen des Brandherdes entstehenden Wasserdampf auftritt. Trotz Flammschutzhaube insbesondere für die Ohren äußerst unangenehm….
Nach 20 recht schweißtreibenden Minuten verlassen die Atemschutzgeräteträger den Container. Mit einer Wärmebildkamera wird festgestellt, dass die Feuerwehrhelme eine Temperatur von rund 100 Grad aufweisen.
Die Teilnehmer zeigten sich von dem Training sichtlich beeindruckt. Die im Selbstversuch erlebten Grenzen körperlicher Belastbarkeit werden zukünftig hoffentlich allen Teilnehmern eine wichtige Hilfe zu einem sicheren und erfolgreichen Innenangriff sein. Beachtenswert übrigens, dass sich unter den Atemschutzgeräteträgern auch einige Damen befanden.
Mehrtägige Veranstaltungen dieser Größenordnung funktionieren nur mit einer bis ins Kleinste funktionierenden Organisation. Ein großes Dankeschön an alle Helfer, die teilweise mehrere Tage Urlaub dafür opferten.
Ebenso gilt ein Dank der Wendelsteiner Bevölkerung sowie den Gewerbebetrieben in unmittelbarer Nähe für das Ertragen der manchmal etwas „dicken Luft“. Hinweis: Der Artikel und die Bilder wurden von der Feuerwehr Wendelstein eingereicht und zur Verfügung gestellt.
Vielen Dank
Archivbild(er):
Archivbeitrag: 951 - 2015-07-10 13:51:41
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